
Die Auseinandersetzung mit historischen Themen und Stoffen hat eine reiche Tradition in der russischen Literatur. Dabei handelt es sich auch um Reflexionen, wie historisches Wissen überhaupt zustande kommt und vermittelt werden kann. In welchem Verhältnis zueinander stehen literarische Erzählung und Historiografie, historisches Dokument und Fiktion? Welche Rolle kann ein Einzelmensch in der Geschichte spielen? Wie geht man mit multiplen konkurrierenden Perspektiven auf historische Konflikte um? 1868 hat Lev Tolstoj sein berühmtestes Werk ex negativo definiert: „Was ist Krieg und Frieden? Das ist kein Roman, noch weniger ein Poem, noch weniger eine historische Chronik“. Wie ist eine solche Definition zu verstehen? Mithilfe von welchen Genreformen kann Literatur an der Geschichtsschreibung partizipieren?
Im Mittelpunkt des Seminars stehen vier Werke (teils in Auszügen) aus vier unterschiedlichen Epochen der russischen Literatur:
- Aleksandr Puškin: Kapitanskaja docka / Die Hauptmannstochter (1836),
- Lev Tolstoj: Vojna i mir / Krieg und Frieden (1869),
- Boris Pasternak: Doktor Zivago (1955, Nobelpreis),
- Jurij Trifonov: Starik / Der Alte (1978).