
Vorlesung
Schreiben und Lesen werden seit jeher mit Einsamkeit verbunden. Einsamkeit gilt nicht nur als Leidenszustand, sondern auch als Bedingung künstlerischer Kreativität und Produktivität. Wie sich die Literatur aber genau zur Einsamkeit verhält, wird in jeder Epoche neu verhandelt. Das zeichnet die Vorlesung nach. Sie lädt dazu ein, die Geschichte der deutschen Literatur vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart am Leitfaden ihres Verhältnisses zur Einsamkeit zu erkunden.
Zu den Stationen dieses Durchgangs gehören: die Topoi des Rückzugs in der Frühen Neuzeit, die in Johann Georg Zimmermanns vierbändigem Erfolgsbuch „Über die Einsamkeit“ (1784/85) dokumentierten Debatten der Aufklärungszeit, die „Waldeinsamkeit“ und die Einsiedlerfiguren der Romantik, die zu Abstraktion und Hermetik radikalisierte Einsamkeit der klassischen Moderne, die literarische Selbstreflexion in westlichen ‚Massengesellschaften‘ nach 1945 und das Teilen von Einsamkeitsgefühlen in der (digitalen) Gegenwartsliteratur.
Für die Vorlesung erkenntnisleitend wird die Frage sein, wie verschiedene literarische Gattungen und Stile – idyllische Landlebendichtung und erhabene Sturmgesänge, (fiktive) Briefe und Tagebücher, autobiographische Bekenntnisse und großangelegte Gesellschaftsromane, Dramen und Essays, wortreiche Rechtfertigungen und knappe Verse – unterschiedliche Einsamkeitsmodi ausprägen.