Die (ältere) Musikgeschichte wird meist mit einer geographischen Einschränkung auf die heutigen Länder Italien, Frankreich, Deutschland und England erzählt. Große Gebiete werden dabei ausgeblendet - dies aber nicht aus einem Mangel an Quellen. Dazu zählen Nord-, Ost- und Teile Westeuropas ebenso wie ehemalige Kolonialgebiete etwa Südamerikas. Dieser Musik ist gemeinsam, dass sie nicht per se „anders klingt“ als die „kerneuropäische“, weil sie zur gleichen Einflusssphäre gehört. Gleichzeitig gibt es aber auch Eigenheiten in der regionalen Ausprägung, die neben den Sprachen von Náhuatl bis Kirchenslawisch auch mit kulturellen oder konfessionellen Gegebenheiten zu tun haben. Natürlich gab es darüber hinaus auch andere musikalische Traditionen, die aber nicht primär im Fokus des Seminars stehen sollen. Von Interesse soll hier stattdessen eine historiographische Perspektive sein: Wie verhält sich die Musik der „Zentren“ zur „Peripherie“? Lässt sich das Bild einer zeitlich verzögerten Aufnahme musikalischer Neuerungen mit zunehmender Entfernung und die Denkfigur der "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" aufrecht erhalten? Wie wirken Impulse von „außen“ nach „innen“, z. B. Einflüsse von Südamerika zurück nach Spanien? Wie und aus welchen Gründen vollzieht sich eine musikalische Aneignung über große Entfernungen? Nicht zuletzt soll das Seminar dazu beitragen, Musik jenseits des üblichen Kanons kennenzulernen.