In den vergangenen zwei Jahrzehnten stand Europa vor einer Vielzahl von Problemen, wenn man den Ansichten vieler Beobachterinnen und Beobachtern folgt. Zu den als krisenhaft empfundenen Entwicklungen gehören der Umgang mit Flucht und Migration, Umweltschutz und Klimawandel, Finanzkrise und Wettbewerbsfähigkeit, der Aufstieg des Populismus, die russische Invasion der Ukraine und der Konflikt im Nahen Osten.
Diese Problematisierungen sind häufig weder neu noch auf Europa als gegenwärtigen und historischen Raum beschränkt. Die Vorlesung nimmt drei Blickwinkel auf Europa und die aktuellen Verhandlungen seiner „großen Probleme“, Chancen und Faszinationen ein. Sie blickt erstens auf die Entstehung und Veränderung von Krisendiagnosen auch über politische Strukturbrüche wie 1917/29, 1945/48, 1968 und 1989/91 hinweg. Sie fragt zweitens nach den Wirkungen der Problemdefinitionen auf die europäischen Gesellschaften und ihre lokalen Repräsentationspraktiken. Schließlich diskutiert sie, wie sich verschiedene Zukunfts- und Gegenwartsentwürfe selbst historisieren lassen. So leistet die Veranstaltung auch einen Beitrag zur Historisierung aktueller, universaler und partikularer Streitfragen: etwa über die Grundlagen einer europäischen Gemeinschaft, wirtschaftliche und ökologische Risiken sowie Menschenrechte.