m 19. Jahrhundert machen die Gattungen des Musiktheaters (z.B. der Grand opéra) eine spannende Entwicklung möglich: zum einem können nach der Säkularisation die Kirche und ihre Repräsentanten als Gegenstand bzw. handelnde Figuren freier auf die Bühne gebracht werden. Zum anderen kann etwa das Gebet als kontemplativer Moment die Entwicklung einer Figur innerhalb einer ausgefeilten Dramaturgie bereichern. Und schließlich wird Religion auch als kritisch zu hinterfragender Gegenstand verhandelbar, wenn etwa historische oder mythische Sujets gewählt werden. Spannend genug also, um genauer hinzusehen.

Im Seminar werden wir uns anhand ausgewählter Beispiele dafür interessieren, wie Religion also konkret auf die Opernbühne gebracht wurde: handelt es sich um Hintergrund für eine wirkungsvolle Szenerie? Um individuellen Glaubensausdruck einer Figur (etwa in einer Arie)? Um Repräsentation von verschiedenen Glaubensgruppen oder Masseneffekten (etwa im Chor)? Oder gar um Religionskritik? Dabei werden, je nach Beispiel, einzelne Szenen, einzelne Figuren oder die Dramaturgie und musikalische Anlage des gesamten Stückes in den Fokus gerückt.

Dabei werden wir auch einiges über das Musiktheater des 19. Jahrhunderts im Allgemeinen lernen. Ein Pluspunkt in Sachen Repertoirekenntnis: Die Auswahl der Stücke bietet durchaus eine kleine Hitliste zentraler Werke des Musiktheaters im langen 19. Jahrhundert, die z.T. (leider!) nicht mehr alle im aktuellen Repertoire-Betrieb regelmäßig gespielt werden, u.a.:
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte
Carl Maria von Weber: Der Freischütz
Fromental Halévy: La Juive (Die Jüdin)
Giacomo Meyerbeer: Les huguenots (Die Hugenotten)
Giacomo Meyerbeer: Le prophète (Der Prophet)
Peter Cornelius: Der Barbier von Bagdad
Louis Spohr: Jessonda
Jules Massenet: Manon
Richard Wagner: Parsifal
Giuseppe Verdi: Otello
Hans Pfitzner: Palestrina