Das „Anthropozän“ – ‚das vom Menschen gemachte Erdzeitalter‘ – ist ein hochgradig umstrittener Epochenbegriff, der die globale Veränderung der Ökologie der Erde durch die Menschheit beschreibt. Als Gegenwartsdiagnose ist der Begriff mit politischen und moralischen Fragen wie Verantwortung, Schuld und Gerechtigkeit verknüpft, die mit geologischen Periodisierungsfragen unlösbar verwickelt scheinen. Daher ist es wenig überraschend, dass das Einwirken der Menschheit auf den Planeten auch mit Fragen der Religion in Verbindung gebracht wird. Für die Religionswissenschaft öffnet sich hier ein weites Themenfeld. Welche Rolle kommt den Wissenschaften für die Popularisierung des Begriffs zu und inwiefern sind damit Fragen religiöser Sinndeutung berührt? Wie ist zu erklären, dass Religionen sich als Interpretationsgemeinschaften ökologischer Fragen Gehör verschaffen? Was ist von der These zu halten, dass sich aktuell so etwas wie eine „Klima-Religion“ herausgebildet hat? Wenn ‚Natur‘ und ‚Geschichte‘ zunehmend unverfügbar erscheinen, wie verändert das die Vorstellungen von Immanenz und Transzendenz?