Die Vorlesung gibt Einsicht in eines der produktivsten Genres der isländischen Literatur, die in Island seit dem Spätmittelalter – und bis weit in die Neuzeit hinein – entstandenen „originalen“ Ritter- und Abenteuersagas, in denen unbekannte, einfallsreiche Erzähler strahlende Helden im Dienste der Unterhaltung auf Abenteuerfahrt durch ein ebenso ritterlich-höfisch wie heidnisch-magisch geprägtes Europa der „Vorzeit“ schicken, um Schlachten zu schlagen, Drachen und Riesen zu bezwingen, Flüche zu überwinden und Prinzessinnen zu erobern. Die von der modernen Forschung lange als minderwertig angesehenen „Lügengeschichten“ eröffnen Einblicke in Geschichts- und Weltvorstellungen des Spätmittelalters und zeugen von der enormen Bandbreite isländischer Erzählkunst. Neben den Entstehungsbedingungen im Island des Spätmittelalters und der Betrachtung der literarischen Vorbilder der Neuschöpfungen befasst die Vorlesung sich mit der Überlieferungs-, Rezeptions- und Forschungsgeschichte, den behandelten Themenkomplexen und formalen Eigenarten des Genres und stellt die Frage nach der in den Erzählungen selbst stets (augenzwinkernd?) beteuerten Glaubwürdigkeit des Erzählten in den Fokus.