Platon ist einer der bedeutendsten, wenn nicht der bedeutendste Philosoph der Antike – noch im 20. Jahrhundert charakterisierte der englische Philosoph Alfred N. Whitehead die gesamte europäische philosophische Tradition als Serie von Fußnoten zu Platons Werk. In der Tat berühren Platons Schriften die zentralen Fragen der Philosophie: Was existiert? Wie können wir es erkennen? Was ist das gute Leben?
Aus philologischer Perspektive ist interessant, dass Platon seine Philosophie nicht in Form wissenschaftlicher Traktate verbreitete, sondern ihr eine dezidiert literarische Gestalt gab: Wir verfügen von Platon fast ausschließlich über kunstvoll komponierte fiktionale Dialoge, die zumeist seinen längst verstorbenen Lehrer Sokrates im Gespräch mit anderen bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit zeigen. In der Aufnahme der griechischen literarischen Traditionen seit Homer schuf Platon etwas grundlegend Neues, das nicht zuletzt durch seine Form eine bis heute anhaltende Wirkung und Faszination ausübt.
Vor diesem Hintergrund strebt die Vorlesung weniger einen rekonstruierenden Überblick über das gesamte System der platonischen Philosophie an. Vielmehr ist das Ziel, sich Platons komplexem philosophischen Schaffen auf der Grundlage einer Übersicht über sein Leben und Werk durch eine eingehende philologische Deutung ausgewählter Texte unter Erschließung ihrer philosophischen Inhalte zu nähern, unter anderem seiner Meisterwerke Politeia, Timaios, Kritias oder Symposion.
Der Schwerpunkt liegt auf der Ergründung des vielschichtigen Verhältnisses von literarischer Form und philosophischem Inhalt, wie es sich so exemplarisch im berühmten „Höhlengleichnis“, aber auch in zahlreichen weiteren Bildern und Mythenerzählungen zeigt sowie in eher theoretisch orientierten Passagen explizit verhandelt wird: Warum, so die Leitfrage, hat Platon nicht philosophische Traktate, sondern Literatur im emphatischen Sinne produziert – und wie drückt sich in eben dieser wiederum Platons Philosophie in Form und Inhalt aus?