Die Interpretation von und der Umgang mit Prodigien sowie andere Formen 'proaktiver' Divination waren ein sehr wichtiger Bestandteil der antiken Religion. Die Vollständigkeit und die Effektivität ritueller Praktiken konnte ausschließlich dadurch gesichert werden, dass der Wille der Gottheiten erkundet und kontinuierlich geprüft wurde. Im Zentrum der Vorlesung stehen die verschiedenen Formen von Divination, die sich in Italien im Laufe der republikanischen Zeit und der frühen Kaiserzeit im privaten sowie im öffentlichen Bereich entwickelten. Diese reichten von verbreiteten divinatorischen Praktiken (wie der Vogel- oder der Leberschau) über Formen der Wahrsagerei, die nur oder hauptsächlich bei bestimmten Völkern üblich waren (wie etwa der Katoptromantie, der Wahrsagung durch Spiegel, bei den Etruskern) bis hin zu lokalen divinatorischen Praktiken, die nur an bestimmten Orten oder Heiligtümern in Gebrauch waren (wie etwa der Kleromantie, der Divination durch Lose). Die Untersuchung der Divination gewährt einen tiefen Einblick in das religiöse, gesellschaftliche und teilweise auch politische Leben der Völker, welche die Kultur des republikanischen und des kaiserzeitlichen Italien prägten: dazu gehören neben den Latinern - und also den Römern - die Etrusker, die Griechen Großgriechenlands sowie weitere italische Völker. Zu diesem Zweck werden in der Vorlesung neben literarischen Quellen auch epigraphische und archäologische Zeugnisse in den Blick genommen. Auch die mit diesen Quellen verbundenen Forschungsprobleme sowie kulturanthropologische Aspekte der Divination sollen in der Lehrveranstaltung thematisiert werden.