
Das gewöhnliche ‚Medium‘ der spätmittelalterlichen Textüberlieferung sind größere Kompilationen. Darunter versteht man Sammelhandschriften, die aus mehreren, teilweise disparaten Texten zusammengetragen und nach uns nicht klar erkennbaren Prinzipien angeordnet wurden. Da man sich in den Manuskripten des 14. Jh.s darauf beschränkte, bereits existierende Texte wiederzugeben, wurden sie in der Vergangenheit von quellenkritischen Philologen als Zeichen des kulturellen Verfalls abgestempelt und bis auf wenige Ausnahmen nicht weiter beachtet. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es sich nicht um eine veränderte Ästhetik bzw. eine neue Funktionalisierung der Texte, die einer neuen sozialen und politischen Situation angepasst wurden, handeln könnte.
Die Vorlesungsreihe soll die wichtigsten Kompilationen des isländischen Spätmittelalters vorstellen. Der Fokus wird dabei weniger auf die Texte an sich gelegt, sondern vielmehr auf ihren Zusammenhang innerhalb des größeren Rahmens und die Funktion, die sie in der Intention des Kompilators einnahmen.