
Mit der Erfindung und Entwicklung der Fotografie im 19. Jahrhundert haben sich nicht nur wesentliche ästhetische Kategorien wie Abbild, Darstellung, Objektivität oder Realismus verändert, sondern die Fotografie als Kunstform hat auch Einfluss auf die literarischen Schreibweisen ausgeübt und zu neuen intermedialen Kunstformen wie z.B. zum Fotoroman oder Fotoessay geführt. Es stellen sich zunächst allgemeine Fragen: Wie verhalten sich Fotografie und Literatur zueinander? Welche neuen intermedialen Kunstformen, die als Synthese von Fotografie und Literatur zu verstehen sind, können unterschieden werden? Welche gemeinsamen und unterschiedlichen Medialitätsmerkmale von Fotografie und Literatur gibt es? Gibt es fotografische Schreibweisen und wie können diese methodisch angemessen analysiert und interpretiert werden?
Um diese Fragen zu beantworten, sollen im Seminar zunächst allgemein grundsätzliche Aspekte und theoretische Positionen der Fotografie, Intermedialität und Text-Bild-Semiotik dargestellt und erörtert werden. Im Mittelpunkt der fototheoretischen Diskurse sollen die Diskussionen zum Realismus, Fotografie als Abdruck, Spur und Index sowie Fotografie als Botschaft und Erinnerung behandelt werden. Im Anschluss daran werden ausgewählte Beispiele des Verhältnisses von Fotografie und Literatur in den ost- und ostmitteleuropäischen Kulturen und Literaturen untersucht, wobei spezifische thematische Aspekte die Auswahl aus der russischen, polnischen, tschechischen und ungarischen Kultur bestimmen. Themen sind u.a.: Der Literat als Fotograf; Literatur und Fotografie als Formen der Gedächtniskunst; experimentelle Formen der Fusion von Literatur und Fotografie in der Avantgarde; Dokumentation in Literatur und Fotografie.